Eine Reise über die Datumsgrenze kann verwirren. Nach einem entspannten Morgen in Seoul breche ich gegen Mittag zum Flughafen auf. Mein Flug hebt pünktlich 16 Uhr ab. Ich verbringe anschließend knapp elf Stunden im Flugzeug, um dann am gleichen Tag 10:40 Uhr in San Francisco zu landen. Der Tag wird also lang.
Glücklicherweise muss ich nach meiner Ankunft überhaupt nicht mehr denken, denn für den nächsten Reiseabschnitt habe ich ausnahmsweise vorgesorgt. Vielmehr hat eigentlich Gus vorgesorgt. Ich hole aus:
In den USA kommt man ja leider nicht ohne motorisiertes Individualgefährt von einem Ort zum nächsten. Selbige sind in der Leihe unverschämt teuer und wenn man das Vehikel dann auch noch woanders abgeben möchte, als man es abgeholt hat, steht man in der Regel ohne Optionen da oder vor Preisen auf Neuwagenniveau.
Kein Problem, denkt sich der naive Leipziger Geograph. Einen alten Gebrauchtwagen bekommt man doch zum gleichen Preis wie eine Leihe und kann ihn dann an anderer Stelle einfach wieder abtreten. Der Markt für Gebrauchtwagen wimmelt sicher von ehrbaren Geschäftsleuten, die um unbedarfte Ausländer mit fairen Konditionen werben. Ich suche ein nach europäischen Maßstäben kleines, zuverlässiges und spritsparendes Gefährt, in dem ich auch mal übernachten kann, falls ich Hotelkosten sparen möchte. Das ganze bitteschön einmal für 6 Wochen versichern und in New York wieder verkaufen… Tatsächlich kommt es ziemlich genau so.
Zu den positiven Spätfolgen eines WG-Lebens in Berlin gehören flüchtige Kontakte in aller Welt. Gus hat irgenwann mal in meinem alten Zimmer genächtigt und ist dank guter Freundschaft zu Sarah in meinem erweiterten Kontaktbuch geblieben. Außerdem kauft er sich gern mal alte Autos, repariert sie und verkauft sie wieder. Er wohnt praktischer Weise da, wo ich landen möchte und nicht nur nimmt er sich meines Anliegens an, er hat sogar Spaß daran! Bei meiner Ankunft ist mir allerdings noch nicht klar, dass ich von ihm mit einem komplett neuen Leben ausgestattet wurde.
Superheld Gus holt mich also mit einem großen Namensschild vom Flughafen ab und fährt mich im Cabrio über die Golden Gate Brigde zu einem Aussichtspunkt, für den er mal Landschaftsarbeit gemacht hat. Wir fahren anschließend weiter in Richtung Norden zur Bodega Bay. Auf dem Weg machen wir bei Kai und Jenna Halt, die Zugang zu echtem Brot aus einer kleinen Bäckerei haben und nicht nur deswegen meine neuen Freundschaften vor Ort werden. Nach einem Spaziergang durch den Wald fahren wir zu Gus, wo mein Auto steht. Es ist ein Honda Jazz. Dazu schreibe ich aber gesondert mehr. Da ihm seine Wohnung wohl nicht luxuriös genug erschien, fahren wir schließlich im Korso zu Zoës Haus, in dem ich wegen Mieterinnenwechsels ein eigenes Zimmer mit Bad bekomme und erstmal so lang bleiben darf, wie ich möchte. Mit einem Laib Brot im Magen bette ich mich und schlafe äußerst dankbar mit meinem neuen Leben ein.
In den folgenden Tagen erkunde ich mein neues zu Zuhause. Die Gegend um die Bodega Bay ist sehr ländlich geprägt. Direkt an der Küste wohnen wohl die Bonzen, aber rundherum sieht man hauptsächlich Weideland, einzelne Gehöfte und sich schlängelnde Landstraßen. Zoë wohnt eine viertel Autostunde von der nächstgrößeren Stadt Sebastopol in einem etwas abgelegenen Holzhaus. Zur Küste ist es nach lokalen Maßstäben nicht weit.
Außerdem haben in der Region ein paar kleine Haine mit Mammutbäumen die Besiedlung durch die Europäer überlebt. Mir wird die Wanderung durch Muir Woods epfohlen.
Zu allem Überfluss komme ich pünktlich zu einem selbst organisierten, lokalen Musikfestival an, in dem auch Zoë mitwirkt. Mein Beitrag zum Bodega Day ist es, sie zu chauffieren und beim Tragen zu helfen. Im Gegenzug bekomme ich ein Wochenendprogramm voller Musik auf echten Instrumenten (soll heißen: frei von Berliner Mischpult-Einflüssen). Privatsphärekonform, gibt es nur ein Foto von der Ausschilderung zum Zeltplatz.
Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich die Zeit in Kalifornien sortieren oder benennen sollte und musste offenbar erstmal ein paar Wochen sinnieren. Mittlerweile habe ich mich aber gefangen, und wenn alles klappt, kommen demnächst in kurzer Abfolge Beiträge zu San Francisco und dem Aufbruch in ein Leben auf der Straße.
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