Seoul

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In Südkorea angekommen spürte ich die Bedrohung der willkürlich ungemäßigten Staatsgewalt verhallen. Sie wird ersezt durch das Gefühl, nicht zu wissen, wie ich mich kulturkonform verhalte. Wegen meines offensichtlich fremdartigen Erscheinungsbilds umgibt mich allerdings eine Aura der Nachsicht. Insgesamt ein ganz guter Deal.

Die Ankunft in Südkorea selbst gestaltete sich bürokratisch. Es ist mal wieder ein Ort der dreifaltigen Coronatests. Dazu gibt es viel Papier mit zahlreichen Stempeln und mehrfach redundanten Personenangaben. Die vorgeschriebene App ersetzt diesen Prozess nicht, sondern ergänzt ihn um einen digitalen Amtsschimmel. Nach dieser etwa dreistündigen Eintrittschoreografie bin und fühle ich mich allerdings äußerst frei.

Ich fahre ziemlich günstig mit einer Bahn in die Stadt und laufe bequem durch eine Fußgehzone bis zu meiner Unterkunft. Diese scheint mir eine umfunktionierte Privatwohnung zu sein, die als Mischung aus Zweck-WG und Herberge für Reisende betrieben wird. Ich werde kurz, aber sehr höflich mit brüchigem Englisch eingewiesen, bin mir aber nicht ganz sicher, ob die Person nicht eventuell auch einfach nur Gast ist. Alle schweigen und gehen einander zuvorkommend aus dem Weg. Ich bin trotz aller Eindrücke müde genug, um die Nacht durchzuschlafen. Am nächsten Tag folge ich meinem natürlichen Antrieb und wandere den ganzen Tag durch die Stadt.

Nichts lesen zu können fällt mir hier als deutliches Hindernis auf. Dafür kann ich unabgelenkt von Inhalten das Straßenbild wahrnehmen. Die Parks sind voll mit Menschen. Besonders das Flussufer scheint beliebt zu sein. Es ist recht bergig und blüht an allen Ecken frühlingshaft. Einen etwas stärkeren Anstieg habe ich auf dem Weg zum Fernsehturm, der auch einen ganz guten, in meinem Fall etwas dunstigen, Ausblick über die Stadt bietet.

Seoul Tower vom Fluss aus

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Ich habe das große Glück relativ bald nach meiner Ankunft Agnes und Simone kennenzulernen und den Rest meiner Zeit hier gemeinsam Dinge unternehmen zu können. Damit ich mit dem Schreiben auch mal zu einem Ende komme, werde hier nicht alles auflisten, los ging es aber mit einem Psy-Konzert.

Oppan Gangnam Style!

Bald darauf treten wir eine famose Nachtwanderung an. Mit Lokalexpertise durch Teaho nehmen wir kurz vor zwei Uhr morgens ein Taxi an den Bergfuß und gehen los. Bei langsam eintretender Dämmerung wandern wir bergauf und bekommen immer mal wieder einen Blick über die Stadt. Ich trage eine Auswahl von Objektiven mit nach oben, habe aber leider vergessen die Kamera zu laden und meinen Ersatzakku einzustecken. Daher gibt es vom Sonnenaufgang selbst nur Handyfotos ¯\_ (ツ)_/¯

Seoul sieht für mich größtenteils aus, wie eine Zukunftsvision aus den 80ern. Später stelle ich fest, dass es auf das ganze Land zutrifft. Hochhäuser stellen jedenfalls den architektonischen Normalfall dar und historisch gewachsene Ansammlungen kleiner Häuser werden so recht schnell zu einer Attraktion und ausgewiesenem Raum für Fassadenkunst.

Ich mag außerdem die außen angebrachten Stromzähler.

An dieser Stelle durchbreche die Chronologie zugunsten der Ortstreue und und berichte von meinem letzten Ausflug in Seoul. Es gibt ein paar sehr präsente Großunternehmen in Südkorea. Samsung ist eins davon. Außer Landes weniger bekannt ist Lotte. Es ist ein Konglomerat aus Chemie, Tourismus, Nahrungsmittel, IT, Maschinenbau und sonstiger Handelswirtschaft. In Seoul hat Lotte einen Turm gebaut, welcher laut Wikipedia der sechsthöchste der Welt ist. Der Preis für die normale Aussichtsplattform ist akzeptabel. Für einen erheblichen Aufpreis und mit zusätlicher Sicherung kann man noch etwas höher zwischen die beiden Gebäudeflügel auf eine Plattform, bzw Brücke. Die normale Aussichtsplattform hat aber auch Balkone und ist uns mit knapp 500m hoch genug. Interessanterweise werden wir vor der Fahrstuhlfahrt noch durch eine obligatorische Walausstellung im Keller geschleust, für die wir aber keine Zeit haben, weil wir für den Sonnenuntergang angereist sind. Der Fahrstuhl hat leider keine Fenster. Dafür sehr saubere Spiegel und mit Animationsfeuerwerk bespielte Bildschirmwände. Nach Ankunft im 117ten Geschoss muss man sich noch ein Lotte-Turm-Video anschauen und dann öffnet sich endlich die Luke mit dem Ausblick aus dem Fenster. Die nächsten sechs Etagen darf man dann frei erkunden. Von oben sieht Seoul aus, wie ein Städteplanungs-Computerspiel, das jemand ziemlich weit getrieben hat.

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