Ursprünglich wollte ich ja Alex und Marina mehr nachmachen, mit der Bahn bis an die russische Ostküste fahren und von dort nach Japan übersetzen. Japan ist zu diesem Zeitpunkt aber leider noch geschlossen. Südkorea verlangt eine lange und harte Hotelquarantäne. Eine Bahnfahrt durch Mongolei und China nach Vietnam ließ ich aus ähnlichen Erwägungen fallen. Also fiel mein Blick auf die Karte aller geöffneten Länder.
Das nähste bereisbare Land ist Nepal. Von Irkutsk gibt es keine Direktflüge nach Kathmandu und die effizienteste Route führt über Thailand. Folgerichtig plane ich einen Monat dort. q.e.d.
Meine Option setzt mich auf Phuket ab. Das aktuelle Einreiseregime verlangt von mir fünf Tage in der Region zu bleiben und drei PCR Tests nachzuweisen. Nach der ersten Nacht kann ich mich aber in der Region frei bewegen.
Ein bisschen naiv entscheide ich mich an meinem ersten freien Tag vom einen Hotel ins andere zu wandern. Hitze, mangelnde Fußwege und ein Berg, von dem ich einen Parkspaziergang erwartet habe, sprachen dagegen. Auf etwa halber Strecke lenke ich ein und lasse mich von einem Motorradtaxi mitnehmen. Die Umgewöhnung von -30°C auf +30°C wird mit Klimaanlage und Ventilator eingeleitet. Am Abend sehe ich dann die Sonne so gut wie senkrecht untergehen. Der Vollmond scheint hell und sieht verdreht aus. Nach zwei Tagen habe ich mich ans Klima gewöhnt und auch mein nerviger Winterhusten ist komplett verschwunden 🙂
Am Straßenrand gibt es drei für mich erkennbare Arten von Landwirtschaft: Kokos- und Ölpalmen, Bananen und Kautschuk.
Es ist möglich am Stand von einem Ort zum nächsten zu laufen, allerdings wird dieses Bedürfnis von allen nur irritiert zur Kenntnis genommen. Auch meine Wanderung zu Big Buddha am nächsten Tag wird mit aufgerissenen Augen kommentiert.
Für paar Tage passe ich mich örtlichen Transportmethoden an und leihe mir zu 200 baht pro Tag ein Motorrad. Das sind etwa 5,60 € und entspricht mittlerer bis hoher Preisklasse, wie ich später erfahre. Nach deutschem Instinkt lege ich mir Reisepass, Führerschein, internationalen Führerschein und für alle Fälle meine Reisekrankenversicherung zurecht. Mein Gastgeber gibt mir Gefährt, Helm und nimmt mein Geld. Pfand, Versicherung, Fahrherlaubniskontrolle? Haha
Mit Automatikschaltung fährt es sich ein bisschen wie ein Spielzeug. Im Unterschied zur Schwalbe zieht es aber auch bei 60 km/h noch deutlich. Bei Linksverkehr und kulturell üblicher wankelmütiger Spurtreue teste ich meine Maschine aber nicht ganz aus.
Damit Hannah nicht nur Kirchen im Blog angucken muss:
Die Inseln leben fast vollständig vom Tourismus. Man sieht überall Unterkünfte, Taxen, Tuk Tuks, Restaurants, Bars, Muay Thai Trainingsorte, Fährbuchungsangebote, Straßenessen, Massageläden und Partymöglichkeiten. Es ist schwer möglich, überhaupt mal ein Wohnhaus zu finden. Diese sind dann in der Regel auch von Zugezogenen Weißen bewohnt.
Thailand ist extrem zugänglich und gastfreundlich. An sehr touristischen Orten zeigt sich die Orientierung an den Wünschen der Besuchenden in voller Pracht. Die ganze Insel ist ein Ausdruck dessen, was westliche Menschen mit Geld gern haben und selten habe ich mich so für meinen kulturellen Hintergrund geschämt.
Ich hatte das erst ausführlicher getippt, mochte aber den negativen Ton nicht, weil ich es hier durchaus schön und angenehm finde. Daher folgt eine Auflistung ohne Beschönigung, aber mit weniger Abschätzigkeit: gezüchtigte Elefanten in falsch deklarierten Reservaten lassen sich von Touris sechs mal am Tag waschen; dickbäuchige, weiße Männer kaufen sich die Illusion von Liebe in Form junger thailändischer Begleitung (natürlich nur meine Interpretation); Hippies planieren Teil vom Dschungel, weil das Meditieren in der Natur einfach noch mehr Zen bietet; alles ist käuflich für den richtigen Preis; Partyvolk entwickelt ungezügelt seine unsympathische Dynamik… Es gibt mehr. Wenn man so will, ist es die freundliche Form von kulturellem Imperialismus.
Vegetarisches Essen ist an jeder Ecke und zu allen Zeiten günstig zu haben. Alles ist ziemlich lecker. Nach einer Weile fehlt mir aber eine eigene Küchenzeile. Weit verbreitet sind Meeresfrüchte in allen Ausführungen. Wenn man Abends am Strand entlang läuft, sieht man auf dem Meer überall helle, grüne Lichter. Nach ein paar Tagen finde ich endlich heraus, dass es Fischer sind, die damit unschuldige Tentakeltiere in den Tod locken 🦑️☠️
Als Entschädigung für die ganzen Tierqualparagraphen kommen jetzt immerhin ein paar Fotos lebendiger Tiere:
Prostitution ist illegal. In anbetracht des Straßenbilds überrascht mich das ein wenig. Ich interpretiere den örtlichen Codex nach einer Weile so: In den Massageläden, an denen »NO SEX« dran steht, gibt es auf Nachfrage die zweite Preisliste. Ich habe mich mal mit einer Masseurin unterhalten und fragte, wie viele Kunden da mit einem Happy End rausgehen. Antwort: 100%. Ich freute mich über die Erzählung, dass öfter mal ein Kunde »No Ladyboy« verlangt, bei der anschließenden Auswahl aber dann genau jene mit ins Zimmer geht. Die zweite Preisliste hängt vom augenscheinlichen Geldbeutel des Kunden ab. Thai-Männer werden im Übrigen nicht bedient, weil es die Polizei sein könnte. Um Missverständnissen vorzubeugen, entscheide ich mich jedenfalls meine Massage woanders zu finden.
Nach meiner Zeit auf Phuket fährfahre ich von Insel zu Insel. Koh Phi Phi, Koh Pangan, Koh Tao. Normalerweise sind die voll mit Touris, zur Zeit aber durchaus bequem zu besuchen.
bei einer Überfahrt spricht mich ein Mönch aus Sri Lanka an. Wir reden eine Weile. Er ist auf Dienstreise zu einem von ihm mit-errichteten Tempel, wo der Bau einer neuen Buddha-Statue besprochen werden soll. Ich spreche mit ihm kurz über Siddhartha (das Hesse-Buch). Beim Abschied gibt er mir ein Freundschaftsarmband und lädt mich ein, ihn in seinem Tempel zu besuchen.
Wir sprechen auch über Mond und Sterne.
Mangels Unterwasserkamera habe ich hier keine Fotos zum prahlen, aber ich konnte auf den Inseln viel schnorcheln und auch mit einem »Self-Contained Underwater Breathing Apparatus« (SCUBA) tauchen.
Koh Tao zählt wohl zu den Top-Adressen hierfür. Der Unterricht beginnt direkt im Meer und nicht erst im Pool. Mein Lehrer ist sehr zufrieden mit mir und meinem Lerntempo und freut sich, dass wir gleich zu den spaßigen Orten rausfahren können.
Was mir stark von Riffen in Erinnerung bleibt, ist, wie dreidimensional sie aufgebaut sind. Teils durch das Ausgangsgestein, teils durch das Korallenwachstum gebaut, gibt es Überhänge, Tunnel, Schluchten, Anstiege, Täler und Auswucherungen in alle Richtungen. Man kann sich darin verirren. Es lebt dort lebt ein ganzer Katalog von Tieren, Pflanzen und Mischwesen, für die ich keine Namen habe. Man muss auch nicht danach suchen, wie im Wald. In der Regel findet man alles in Schwärmen vor: Korallen; Seeigel; verschiedene Muscheln, von winzig bis riesig; sehr viele, sehr verschiedene, sehr bunte Fische; Korallenfresser, Seeschnecken, Aale, Seegras, Tinenfische, Quallen, Polypen und Plankton. Stellt euch einfach eine von Christian Brückner bzw David Attenborough narrierte Unterwasserwelt vor.
PS: Dieser Post hat mal wieder auf sich warten lassen. Ich finde es nicht so leicht hier eine ruhige, kühle Minute zu finden 🙂
Anta
Das Kontrastprogramm zu Sibirien.
Tolle Sonntagslektüre für uns.
Rafaela
Tolle Fotos. Ich bin ein bisschen neidisch. <3
Meanwhile in Leipzig: letzte Woche frühlingshafte 18°, nun sind wir wieder bei 2° angelangt. Thailand wäre die angenehmere Option. 😀