Mich überrascht ein wenig, dass Kyoto ganz anders aussieht als Tokyo. Das liegt wohl zum Teil an der Größe. Die Häuser im Zentrum haben oft nur zwei Stockwerke und sind traditionell aus Holz. Ein breites Flussbett, das die Stadt von Nord nach Süd durchzieht, lädt an beiden Ufern zum spazieren ein. Zudem gibt es einige Kanäle.
Insgesamt ist es recht grün und es gibt verschiedene Parks und Tempel, sodass die alte Hauptstadt viel Tourismusverkehr aus Japan und anderswo anzieht. In Kyoto wohne ich erstmals nicht im Kapselhotel, sondern falte ein Futon über Tatamimatten auf. Das Zimmer teile ich mit zwei weiteren Männern und trenne meinen Abschnitt mit dünnen Stoffvorhängen ab. In der Unterkunft treffe ich wie geplant Jo wieder, die ich in Tokyo kennengelernt habe und mit der ich zusammen die Region erkunde.
Ein Tempelrundweg mit sehr vielen Toren ist Fushimi Inari-taisha. Torii (leicht zu merkende Vokabel) sind entweder zinnoberrot gestrichen oder aus Stein. Am anderen Ende der Stadt liegt ein beliebter Bambuswald und im Zentrum befinden sich mehrere Tempelanlagen.
Genau genommen ist Nara eine eigene Präfektur außerhalb derer von Kyoto und Osaka, aber die Überschrift wäre mir zu lang geworden. Jedenfalls kommt man von Kyoto aus einigermaßen bequem mit der Bahn nach Nara, wo man sich ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt von Rehen ausrauben lassen kann. Die halbzahmen Bewohner vom Nara-Park können jedenfalls recht ruppig werden, wenn sie die zum verfüttern erwerblichen Cracker erspähen. In der richtigen Stimmung können sie aber auch sehr galant sein. Vermutlich motiviert durch nahrhafte Belohnungsanreize haben sie jedenfalls gelernt sich zu verbeugen. Kurze Streicheleinheiten lassen sie auch über sich ergehen, bis klar ist, ob es sich kalorisch auszahlt oder nicht.
Übrigens gibt es ein tolles Entdeckungsspiel, das sich im Land immer mal wieder anbietet. Manchmal in Buchhandlungen, in jedem gut sortierten Einkaufszentrum, in Bahnhöfen, an allen touristischen Orten, in Museen und auch in ganzen Gebäuden, die speziell für diesen Zweck eingerichtet sind, finden sich besondere Automaten. Sie versprechen Schnickschnack aus der Plastikkugel. Die Kugel lässt man in der Regel zur Wiederverwertung zurück. Erstaunlich ist die Vielfalt, die sich in dieser Automatenwelt entdecken lässt. Sehr selten habe ich den Inhalt eines Automaten an anderer Stelle ein zweites Mal gesehen und ich frage mich schon, wie das eigentlich funktioniert. Der Inhalt eines Automaten besteht üblicherweise aus einer kleinen Reihe von thematisch verwandten Objekten. Diese Themen sind teilweise grandios. Ich lasse meine Bildersammlung sprechen (Ich hadere mal wieder mit der Galleriefunktion. Am Ende entscheide ich mich wohl für die umständliche Durchklickvariante mit Beschriftung. Falls das hier mit dem Bloggen doch noch weiter geht, baue ich mir mal selbst was besseres):
Von Kyoto aus kommt man schnell nach Osaka, welches mich durch Gebäudehöhen und Infrastrukturdichte sehr an Tokyo erinnert. In Osaka bleibe ich nicht so lang, aber die Gestaltung eines zur abendlichen Esszeit gut frequentierten Viertels verleitet mich zu einem Exkurs. Essen zu gehen ist verglichen mit den sonstigen Preisen ziemlich günstig und meist findet man, auch ohne lesen zu können, ganz gut heraus, was einen erwartet. Dazu dienen aufwendige Plastiken in den Schaufenstern. Für diese Kunstwerke gibt es spezielle Läden und das dargereichte Essen gleicht der Vorschau in der Regel bis ins Detail. Das Konzept der Plastikvorschau wird hier teilweise auch auf die Hausgestaltung ausgedehnt. In Osaka gehe ich auch erstmals in eins dieser Sushilokale mit fahrenden Tellern.
Zum Essen lässt sich viel sagen, aber ich bemühe mich mal um Prägnanz. Es ist lecker. Neu für mich ist Natto. Das ist fermentiertes Soja mit leicht schleimiger Konsistenz und an Käse erinnernden Geschmack. Zu einem Frühstück bringt man mir bei, ein rohes Ei in meinen Reis zu mischen und natürlich muss ich meinen Vegetarismus an den meisten Tagen einfach unterdrücken und verschiedene Meerestiere verdauen. Ein verbreitetes Konzept für Gerichte ist Nudeln in Brühe mit stäbchengreifbaren Zusatzinhalten. Ramen ist Fast Food und funktioniert hier inetwa analog zur westlich verbreiteten Burger-Kultur. Soba in Brühe hat den Charakter einer Bockwurst an der Pommesbude. Für den schnellen Imbiss geht man an einen Automaten, klickt auf ein Bild, wirft Münzen ein und bekommt ein Ticket, das dem Küchenpersonal auszuhändigen ist. In Kürze findet man die Verkörperung des Schüsselbildes vor sich, welche man schließlich zumeist im Stehen ausschlürfen darf. Beim Essen mit Sitzgelegenheit fällt der Automat meist weg, das Geschirr sieht wertiger aus und die Gerichte aufwendiger. Es kommen weitere Konzepte hinzu: Objekt auf Reis, in Teig gekocht, sowie panniert und am Spieß frittiert. Teppanyaki, also auf der Metallplatte gebratene Gerichte kann man sich direkt vor den eigenen Augen zubereiten lassen.
Für den kleinen Hunger unterwegs gibt es im Mischwarenladen Onigiri und verschiedene andere Snacks, sowie Sets für die Mikrowelle. In Supermärkten sind letztere noch deutlich zahlreicher. Auf dem Markt gibt es viel Fermentiertes und Getrocknetes aus dem Meer und fast alles was süß ist, lässt sich auch in Geschmacksrichtung Matcha haben.
Wenn man schonmal in Osaka ist, denkt sich meine Reiseabschnittsbegleitung Jo, kann man auch ins Universal Studio Japan (USJ) gehen. Der Logik schließe ich mich an und bin froh, dass ich nicht durch den Hindernislauf navigieren muss, der für ein Ticket notwendig ist. Wer nicht in Japan wohnt, verfügt über verschiedene dafür eigentlich vorausgesetzte Möglichkeiten nicht. Zudem ist die vorgeschriebene digitale Formularwelt ein Kampf auch für Muttersprachlerinnen. Am Ende haben wir jedenfalls Tickets und es ist spaßig. In den USJ trägt die Neigung zur Verkleidung herausragende Früchte. Man sieht verschiedene Gruppen, die formell gekleidet in den vier Anzügen der Häuser Hogwarts’ erscheinen. Marios und Luigis sind allgegenwärtig und es gibt viele Verkleidungen diverser Animecharaktere, die ich schlicht nicht kenne – so zumindest meine Vermutung. Die Achterbahnen sind zum Glück auch für meine Körpermaße ausgelegt. Am besten bleibt mir der Hollywood Dream Coaster in Erinnerung, weil ich neben drei gut verkleidete Freundinnen gesetzt wurde, die total in Stimmung sind. Die während der Fahrt frei wählbare Musik stand auf einem lokalen J-Pop-Hit und ich lasse mich vom durchgehenden Klatschen bzw. Gliedmaßenausstrecken anstecken.
In den Universal Studios Japan finde ich auch ein besonders grandioses Produkt kultureller Mischung: Harry-Potter-Baumkuchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ich bin mir einigermaßen sicher, dass Baumkuchen in Japan sowohl wirtschaftlich als auch kulturell eine deutlich größere Rolle spielt, als im Herkunftsraum. Er passt auch einfach besser hierhin. Das niedliche, schlichte, aber aufwendige Gebäck wartete nach seiner Konzeptionierung nur darauf hier aufgegriffen und seiner Vollendung zugeführt zu werden. Die Form optimierte sich zu einem perfekten, hohlen Zylinder und natürlich kamen die Geschmacksrichtungen Matcha und Süßkartoffel hinzu. Der deutsche Ausdruck hat es übrigens ohne großartige Abwandlung ins Japanische geschafft.
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