Ich finde, dass Flächen sich recht schwierig vorstellen lassen. Yellowstone National Park ist jedenfalls groß. Er ist ein Viereck inetwa der Größe Zyperns. Man könnte auch sagen, er ist zehn mal so groß wie Berlin, doppelt so groß wie die Altmark bzw. halb so groß wie Sachsen und er nimmt damit ein gutes Promille der kontinentalen USA (ohne Alaska) ein.
Die Verfügbarkeit von so viel Fläche führt zu interessanten infrastrukturellen Entscheidungen. Landestypisch ist der Ort mit asphaltierten Straßen für massive Autos und noch massivere Wohnmobile erschlossen. Das Straßennetz malt eine große 8 in den Park, welche an die Haupteingänge angeschlossen ist. Gefühlt alle paar hundert meter gibt es kleine Ausfahrten mit Haltemöglichkeit und an beliebteren Sehenswürdigkeiten gibt es großzügig dimensionierte, flächige Parkplätze. Manchmal entsteht der Eindruck, der ganze Park sei durchplaniert, insgesamt empfinde ich die Lösung aber als einen ziemlich guten Kompromiss.
Ein grandioser Aspekt daran ist etwa, dass die gesamte Infrastruktur barrierefrei geplant ist. Die über empflindliche oder gefährliche Landschaften gezimmerten Holzwege sind breit genug für Rollstühle. Die Plumpsklos bieten einen komfortablen Wenderadius und auch längere Wege mit teils erheblichem Anstieg haben eine stufenfreie Option. Ich bin mir sicher, dass es hier Optimierungspotenzial gibt. Mehrere Begegnungen mit Menschen im Rollstuhl, die offensichtlich allein unterwegs sind, stimmen mich aber äußerst fröhlich.
Die vielen Haltemöglichkeiten führen dazu, dass sich der Menschenansturm autonom in der Fläche verteilen kann. Kleine und große Pfade an vielen Haltestellen verleiten zum Erkunden abseits der Hauptattraktionen. Letztere sind kindgerecht, mit Souvenirshops ausgestattet und gut auf Massenabfertigung eingerichtet. Angelnde haben Zugang zu einer Reihe von Gewässern. Es gibt ausreichend große Campingplätze und verschiedene Routen durch diverse Regionen. Es gibt auch Zugang zu ausgewählten Gebieten, die weniger erschlossen sind. Dafür müssen Besuchende dann aber spezielle Sicherheitsvorkehrungen erfüllen und vorausplanen. Es gibt Optionen für planlose Tagestouris und nerdige Dauergäste. Insgesamt ermöglich die Parkstruktur es, sehr viele Menschen sehr viel sehen zu lassen und gleichzeitig den größten Teil des Parks sich selbst zu überlassen. Abseits der Wege bleibt es nämlich wild.
Eine der auffäligeren Folgen davon ist, dass Totholz auch auf größeren Flächen einfach stehen bleibt, bis sich die Landschaft von allein wandelt. Weiterhin auffällig ist, dass die Umgebung immer mal wieder raucht und dampft. Etwa ein drittel der Parkfläche gehört zu verschiedenen Calderen (Kratern) mit spannenden vulkanischen Ausprägungen. Verbreitet sind rauchende Hänge, dampfende Gewässer, blubbernder Schlamm, Geysire, regenbogenfarbene Thermalquellen, buntmineralige Beckenterrassen, Aschefelder, Säurebäder und Schwefelgeruch. Letzterer ist für meine Nüstern nicht unbedingt angenehm, aber auch nicht so schlimm wie faule Eier, mit denen er häufig verglichen wird.
Außerdem gibt es Seen, Wiesen, Wälder, Berge, Schluchten, Wasserfälle und Schneefelder… Ich erwähnte bereits, dass der Park groß ist.
Tiere haben immer Vorfahrt und verursachen regelmäßig Autoschlangen, die vorsichtig und fotografierend an ihnen vorbei schleichen. Auf der Straße selbst soll man eigentlich nicht stehen bleiben. Wenn sich aber mal ein seltener animalischer Anblick am Straßenrand bietet, gibt es für gewöhnlich eine kollektive Entscheidung zum Regelbruch. Bei mir geschieht das etwa, als sich am Fuß eines Hangs unter der Straße ein Grizzly zeigt.
Yellowstone reiht sich in die List der Orte ein, die zu groß sind, um überhaupt lange genug dort bleiben zu können. Im Nachgang entsteht unweigerlich das Gefühl, fast alles verpasst zu haben. Jedenfalls ist es dort schön und ich hatte mit meinem Besuch Glück. Kurz nach meiner Abfahrt wird der ganze Park wegen starker Regenfälle für mehrere Monate geschlossen. Puh.
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